Wir sind noch sehr weit davon weg, dass wir behaupten können, unser Leben wäre digital, sagen Carla Streckwall und Alexander Govoni, die seit sechs Jahren gemeinsam transmediale Projekte an der Schnittstelle zu Kunst und Wissenschaft realisieren. 2015 schlossen die beiden Designer das Postgraduierten-Meisterschüler-Programm an der Hochschule der Künste Berlin mit dem Projekt Refrakt ab.

Carla und Alexander, ihr setzt euch mit der Beziehung zwischen Mensch und Technologie auseinander. Was fasziniert euch an dieser Thematik?

Alex: Durch die Technologisierung haben wir so etwas wie einen sechsten Sinn entwickelt – den digitalen. Uns fasziniert, womit andere in der Vergangenheit auch schon experimentiert haben: Die Störung unserer Sinne. Mit unserer App Refrakt schaffen wir alternative Wirklichkeiten, die durch das Scannen von real existierenden Objekten erfahren werden können.

Im Rahmen eurer Ausstellung bei der Volvo Art Session werft ihr die Frage auf, ob sich die Technologie noch immer dem Menschen anpasst oder ob es sich umgekehrt verhält. Zu welchem Schluss seid ihr gekommen?

Carla: Die Technologie wird von uns gesteuert, insofern passt sie sich eher uns an. Durch die Technologie hat sich aber unter anderem die Art, wie wir kommunizieren, stark verändert, da passen wir Menschen uns wiederum der Technologie an. Im Grossen und Ganzen ist es ein gegenseitiges Anpassen.

Welche Rolle kommt Kunstschaffenden in der fortschreitenden Digitalisierung zu?

Alex: Kunstschaffende haben die Aufgabe, gewisse Grenzen auszureizen, Medien neu einzusetzen und zu versuchen, diese aus dem kommerziellen Kontext heraus zu lösen. Keinesfalls sollen Kunstschaffende blindes Vertrauen in die Digitalisierung unterstützen, sondern diese stets kritisch hinterfragen, in dem sie Menschen mit ihrer Kunst in Situationen versetzen, die zum Nachdenken anregen.

Carla: Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass Kunstschaffende immer schon Dinge ausprobiert oder ausgereizt haben, die am Anfang von der Gesellschaft als störend empfunden wurden, mit der Zeit dann aber gut angenommen wurden. Kunstschaffende leisten Pionierarbeit auf diversen Ebenen, unter anderem was die Arbeit mit neuen Medien betrifft.

Was denkt ihr: Wird die Kunst im gleichen Mass digitalisiert wie die Gesellschaft?

Alex: Die Kunst kann als Spiegel der Gesellschaft gesehen werden, insofern kann man durchaus sagen, dass die Kunst im gleichen Masse digitaler wird, wie auch die Gesellschaft. Die Digitalisierung unseres Alltags begünstigt die Entstehung und Verbreitung von digitaler Kunst. Dadurch wird auch die digitale Kunstszene immer bedeutender.

Ihr habt die Demokratisierung der Kunst angesprochen. Welchen Mehrwert bietet die digitale Kunst ansonsten noch gegenüber der analogen Kunst?

Carla: Der Kunstmarkt ist ein Thema für sich – er steht hauptsächlich den höheren Klassen offen. Erst durch die Gründung von Museen als Plattformen wurde Kunst dem gemeinen Bürger zugänglich gemacht. Die Digitalisierung ermöglicht nun der breiten Masse mit Kunst in Berührung zu kommen. Insofern ist es ganz spannend, was im Kunstmarkt momentan passiert.

Alex: Dazu kommt, dass digitale Kunst nicht örtlich gebunden sein muss. Sie kann auf der ganzen Welt gleichzeitig konsumiert werden und dies in einer Geschwindigkeit, dank der sie sehr schnell auf aktuelle Themen und Fragen reagieren kann.

In welchen Lebensbereichen schätzt ihr die Digitalisierung am meisten und in welchen Bereichen wünscht ihr euch am liebsten eine analoge Welt zurück?

Carla: Wir sind noch sehr weit davon  entfernt, dass wir behaupten können, unser Leben wäre digital. Es kommt uns aktuell vielleicht so vor, aber wenn wir in zwanzig Jahren auf 2017 zurückblicken, wird uns das sehr analog vorkommen. Die Digitalisierung wird in allen Lebensbereichen weiter voranschreiten und das finde ich auch gut so. Wichtig ist, dass wir uns stets aktiv mit dem was passiert auseinandersetzen und es nicht einfach über uns ergehen lassen.

Alex: Ich persönlich bedaure manchmal, wie schnell man Wissenslücken heute einfach weg googelt. Früher musste man sich viel mehr mit Themen auseinandersetzen und konnte nicht einfach das Handy zücken.